Habsburgs verkaufte Töchter by Leitner Thea
Autor:Leitner, Thea [Leitner, Thea]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492964739
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2017-02-16T23:00:00+00:00
Allein gegen Napoleon
Marie Karoline 1752–1814
War Maria Theresia eine gute Mutter?
Je mehr man sich Wien, dem Zentrum der Maria-Theresia-Verehrung nähert, desto dringender scheint geboten, diese Frage zu vermeiden, will man geballten Emotionen entgehen. Das Bild der populärsten Herrscherin Österreichs ist überdeckt von einer dicken Schicht süßlichen Kitsches und nostalgischer Wunschträume, in deren Mittelpunkt eine gütig lächelnde Landesmutter steht, umringt von einer Schar wohlbehüteter, zärtlich geliebter Kinder, für deren Zukunft Maria Theresia nur das Beste im Sinn hatte.
In welchem Sinn? Diese Frage muß erlaubt sein. Und da liegt die Antwort klar auf der Hand: im Sinn der Politikerin. Maria Theresia, darüber herrscht kein Zweifel, hat ihre Kinder aufrichtig geliebt – aber nicht über alles. Über allem rangierten die Interessen des Hauses Österreich sowie des Staates, und damit handelte die Frau des deutschen Kaisers, Franz I. Stephan von Lothringen, durchaus konform mit jahrhundertealter Herrschertradition, die uns Heutigen fremd, ja schlechterdings unbegreiflich ist. Ausdrücklich anzumerken ist, daß persönliches und privates Glück damals auch allgemein im Lebensplan keine dominierende Rolle spielte.
Maria Theresia war eine perfekte Mutter nach den Vorstellungen ihrer Zeit. Aus dem Blickwinkel unserer Gefühlswelt mit dem Drang nach Selbstverwirklichung war sie es nicht. Die Kinder wurden ausschließlich nach den Bedürfnissen der Staatsräson erzogen und dann auch verheiratet, wobei die männlichen Nachkommen allemal besser dran waren als die weiblichen. Wenn die Männer das Pech hatten, mit einer ihnen nicht genehmen Frau vermählt zu werden, hatten sie unzählige andere Gelegenheiten, ihrem Leben einen angemessenen Inhalt zu geben. Den Frauen stand diese Möglichkeit nicht offen, denn die Mutter hatte ihnen von Kindesbeinen an eingebleut, daß es ihr Lebenszweck sei, eine politisch vorteilhafte Eheverbindung einzugehen, und daß sie dann nichts weiter zu tun hätten, als ihren Männern gefügig zu sein und sich um, hoffentlich möglichst viele, Kinder zu kümmern. Sie, Maria Theresia, hätte es genauso gehalten, wäre ihr von Gott nicht der Platz auf dem Thron zugewiesen worden.
Maria Theresia sah ihre Kinder selten. Sie besuchten an Sonn- und Feiertagen mit den Eltern die Messe und nahmen am gemeinsamen Mittagmahl teil. Die Erziehung erfolgte durch »Ajas« für die Mädchen, durch »Ajos« für die Knaben, durchwegs adelige Witwen und zuverlässige Hofbeamte. Jeweils zwei im Alter am nächsten stehende Kinder wurden von derselben Person betreut, hinzu kamen noch Fachlehrer, Musik- und Tanzmeister. Der Stundenplan war dicht gedrängt, eine Privatsphäre besaßen die Kinder nicht. Selbst die Festlichkeiten im Familienkreis, bei denen die Knaben und Mädchen Ballette aufführten und Theater spielten, waren Teil des Schulungsprogramms, das auf diese Weise die Kunst vermittelte, sich in der Öffentlichkeit anmutig zu bewegen und angstfrei zu sprechen.
Maria Theresia beobachtete die Kinder scharf, erkannte deren Vorzüge und Schwächen, auf handschriftlichen Zetteln gab sie genaue pädagogische Anweisungen.
Das Kaiserpaar hatte sechzehn Kinder, von denen sechs Knaben und acht Mädchen das Säuglingsalter überlebten. Maria Anna wurde 1738 geboren, der letzte Sohn, Max Franz, kam 1756 zur Welt – ein Unterschied von fast zwei Jahrzehnten zwischen dem ältesten und dem jüngsten Kind.
Über mehr als zwei Jahrzehnte erstreckten sich Maria Theresias Bemühungen, jedes einzelne – mit Ausnahme des letzten Sohnes, der Geistlicher wurde – möglichst günstig zu verheiraten.
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